Nicht alles was glänzt, ist Gold 

Unter absichtlicher Täuschung versteht man, wenn eine Vertragspartei die andere Vertragspartei absichtlich täuscht und dadurch ein Vertrag zustande kommt. Dieser Vertrag ist jedoch für die getäuschte Partei nicht verbindlich. (Art. 28 Abs. 1 OR)

Bei der absichtlichen Täuschung muss der Irrtum nicht wesentlich sein, hat jedoch andere Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu zählen die Täuschung des Vertragspartners, AbsichtWiderrechtlichkeitIrrtum sowie Kausalität. Eine Täuschung durch einen Dritten hat die Ungültigkeit zur Folge. Der Getäuschte trägt die Beweislast und die Frist zur Anfechtung beträgt ein Jahr, welche mit der Entdeckung der Täuschung beginnt. Ein paar Hinweise aus der Praxis runden das Bild ab.

Der Vertrag ist auch dann nicht verbindlich, wenn der Irrtum kein wesentlicher Irrtum war. (Art. 28 OR) Im Gegensatz zum Grundlagenirrtum wird deshalb nicht untersucht, wie schwerwiegend der Irrtum war, da die getäuschte Partei (i.d.R. der Käufer) im Zusammenhang mit einer absichtlichen Täuschung geschützt werden soll.

Der Tatbestand der absichtlichen Täuschung setzt folgendes voraus:

Grundsatz

Als täuschendes Verhalten wird die Vorspiegelung von falschen Tatsachen oder das Verschweigen von vorhandenen Tatsachen verstanden (BGE 116 II 434).

Tatsachen

Definition

Die täuschende Handlung hat sich auf objektiv feststellbare Zustände oder auf tatsächliche oder rechtliche Ereignisse zu beziehen. (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 4)

Keine Tatsachen

Aus diesem Grund zählen subjektive Werturteile sowie Meinungsäusserungen nicht zu den Tatsachen, ausser diese beruhen direkt auf solchen Tatsachen. (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 4)

Werbung

Hier sieht man im Speziellen die Problematik bei der Beurteilung von Werbung. Wird ihnen ein sachlicher Gehalt zugestanden, so handelt es sich um Tatsachen. Wird jedoch von einer marktschreierischer Anpreisung ausgegangen, so werden sie als subjektive Werturteile betrachtet (BGE 85 II 416 f.).

Vorspiegelung von falschen Tatsachen

Die täuschende Handlung der Vorspiegelung von falschen Tatsachen kann entweder durch positive Handlungen oder durch Unterdrückung von wahren Tatsachen erfolgen. Die Behauptungen sind dazu nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, weshalb auf den Verkehrskreis des Getäuschten abzustellen ist (BGE 116 II 434 f.). So kann bereits in der Preisgestaltung eine Täuschung liegen, falls damit eine Echtheit eines Gegenstandes simuliert wird, obwohl es sich um eine Fälschung handelt (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 6).

Verschweigen von Tatsachen

Grundsatz

Aus Gesetz, Vertrag oder Treu und Glauben kann sich eine Aufklärungspflicht ergeben, bei deren Nichteinhaltung eine Tatsachenverschweigung eine Täuschung darstellt (BGE 116 II 434 f.).

Vertragsarten

Bei Verträgen mit einem besonderen Vertrauensverhältnis und bei Dauerschuldverhältnissen kann sich ein höheres Mass an Aufklärungspflichten ergeben (BGE 117 II 228 ff.). Demgegenüber wird bei Austauschverträgen eine tiefere Aufklärungspflicht angenommen. 

Persönliche Umstände

Erkennt eine Vertragspartei, dass ein Umstand für die andere Vertragspartei wesentlich für die Entscheidungsfindung ist, so hat sie diesbezüglich eine Aufklärungspflicht (BGE 116 II 435). Eine erhöhte Aufklärungspflicht wird auch dort angenommen, wo ein Macht- und Informationsgefälle zwischen den Parteien vorliegt, das auf die unterschiedliche wirtschaftliche Stellung zurückzuführen ist (BGE 116 II 435).

Wahrheit und Lüge

Stellt ein Vertragspartner konkrete Fragen, so muss der Andere wahrheitsgemässe Antworten geben, sofern dessen Frage zulässig ist (siehe: Notwehrrecht der Lüge im Bewerbungsgespräch).

Keine Auskunftspflicht

Keine grundsätzliche Aufklärungspflicht ergibt sich bei Fragen zu den eigenen Vermögensverhältnissen, ausser es liegen besondere Umstände vor (BGE 86 IV 205 f.).

Grundsatz

Der Täuschende muss die Täuschung mit Absicht begehen, d.h. er muss um den Unwahrheitsgehalt seiner Aussage Bescheid wissen. Aus diesem Grund können fahrlässige Falschangaben nicht über den Tatbestand der absichtlichen Täuschung, sondern nur über die culpa in contrahendo angefochten werden.

Eventualvorsatz

Zwischen Absicht und Fahrlässigkeit liegt der sog. Eventualvorsatz (dolus eventualis), welcher ausreicht, um eine absichtliche Täuschung zu begehen. Wer also aufs Geratewohl Aussagen tätigt, der handelt eventualvorsätzlich (BGE 53 II 150), jedoch nicht, wenn der Vertragspartner darauf aufmerksam gemacht wird, dass seine Aussagen bestem Wissen und Gewissen entsprechen (BGE 123 III 169 f.).

Vertrauensprinzip

Die Aussagen des Täuschenden sind nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen, wie sie der branchenunkundige Vertragspartner verstehen durfte, auch wenn dies von der Bedeutung des Verkehrskreises des Täuschenden abweicht (BGE 116 II 435).

Die Widerrechtlichkeit wird nicht explizit vorausgesetzt, da angenommen wird, dass eine absichtliche Täuschung immer widerrechtlich sei. Diese Widerrechtlichkeit entfällt jedoch bspw. beim Notwehrrecht der Lüge im Bewerbungsgespräch, weshalb in den Fällen, in denen die Widerrechtlichkeit entfällt, eine Berufung auf die absichtliche Täuschung nicht in Betracht kommt. (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 12)

Das Resultat der Täuschung muss ein Irrtum sein, der beim Getäuschten hervorgerufen oder aufrechterhalten wird. Obwohl es sich regelmässig um einen Motivirrtum handeln wird (Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Von Tuhr/Peter, 1979, 320), ist keine Wesentlichkeit vorausgesetzt (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 13).

Grundsatz

Die Täuschung muss für den Getäuschten die Ursache gewesen sein (d.h. kausal), seine Willenserklärung abzugeben.

Bestehende Kausalität

Die Kausalität wird bejaht, wenn der Getäuschte die Willenserklärung gar nicht abgegeben (dolus causam dans) oder zumindest nicht in dieser Weise abgegeben hätte (dolus incidens). (BGE 99 II  308 f.)

Fehlende Kausalität

Daraus lässt sich folgern, dass die Kausalität fehlt, wenn der Getäuschte um den wahren Sachverhalt Bescheid wusste oder er den Vertrag auch ohne die Täuschung geschlossen hätte (BGE 129 III 320 E. 6.3).

Grundsatz

Damit eine Täuschung die Unverbindlichkeit des Vertrags zur Folge hat, muss die Täuschung vom Vertragspartner ausgegangen sein, oder für den Vertragspartner erkennbar gewesen sein, falls sie von einem Dritten ausgegangen ist. Damit diese fremdverursachte Täuschung dem Vertragspartner zugelastet werden kann, braucht es zumindest eine Fahrlässigkeit des Vertragspartners (Die absichtliche Täuschung durch Dritte: Art. 28 Abs. 2 OR, Huguenin, SJZ 1999, 264).

Keine Dritte

Als Dritte gelten nicht diejenigen Personen, die auf der Seite des Vertragspartners an den Vertragsverhandlungen teilgenommen haben, da das Handeln von Vertretern und Abschlussgehilfen dem Vertragspartner wie sein eigenes Verhalten zugerechnet wird (BGer 4A_70/2007 E. 5.2.3).

Dritte

Als Dritte gelten:

  • die eigenen Angestellten und Vertreter des Getäuschten, ausser sie seien wirtschaftlich identisch mit dem Vertragspartner;
  • der Hauptschuldner beim Abschluss des Bürgschaftsvertrag;
  • der Mitgesellschafter beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, falls die anderen Gesellschafter von dessen Täuschung keine Kenntnis hatten (BGE 31 II 71 f.);
  • der einzelne Aktionär bei Verträgen mit der Aktiengesellschaft, ausser er sei als Alleinaktionär mit dieser Gesellschaft identisch. 

Ausschluss

Wenn der Getäuschte die Täuschung durch den Dritten zur Zeit des Vertragsabschlusses gekannt hat oder hätte kennen sollen, dann ist der Vertrag trotzdem verbindlich. (Art. 28 OR)

Grundsatz

Für den Getäuschten ist der Vertrag unverbindlich und somit anfechtbar. 

Teilnichtigkeit

Hätte der Getäuschte zum Zeitpunkt des Vertragsschluss gewusst, was der wahre Sachverhalt gewesen wäre und hätte er den Vertrag daher zu anderen Bedingungen geschlossen, so liegt ein Fall von Teilnichtigkeit (Art. 20 Abs. 2 OR) vor. Dies ermächtigt das Gericht, auf die vollständige Aufhebung zu verzichten und anstelle dessen die Gegenleistung entsprechend zu reduzieren (BGE 81 II 219 f.). Dies gilt selbst dann, wenn die täuschende Vertragspartei den Vertrag nicht zu den veränderten Bedingungen geschlossen hätte (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 18).

Rückabwicklung von Leistungen

Wird ein Vertrag bei Vorliegen einer Täuschung genehmigt, so ist eine spätere Berufung auf den Willensmangel ausgeschlossen. Dementsprechend müssen die Leistungen vom Irrenden noch erbracht werden, bzw. können nicht mehr zurückgefordert werden. Genehmigt der Getäuschte jedoch den Vertrag nicht, so kann er auch nach Ablauf dieser einjährigen Verjährungsfrist (Art. 31 Abs. 1 OR) seine Leistung einredeweise verweigern (Art. 60 Abs. 3 OR), muss aber das bereits Empfangene nach Treu und Glauben wieder herausgeben (Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Von Tuhr/Peter, 1979, 342).

Schadenersatzpflicht

Des Getäuschten

Obwohl bei der absichtlichen Täuschung ein Irrtum seitens des Getäuschten vorliegt, muss dieser keinen Schadenersatz bezahlen, wenn er die Unverbindlichkeit des Vertrags geltend macht und die Täuschung fahrlässig nicht erkannt hat. (BSK OR I, Schwenzer, 2011, Art. 28 N 20)

Des Täuschenden

Ein Anspruch auf Schadenersatz ist selbst bei Genehmigung des Vertrags nicht ausgeschlossen (Art. 31 Abs. 3 OR). Dies ist dann der Fall, wenn die Anfechtung dem Getäuschten unzumutbare Schäden oder Nachteile gebracht hätten (BGE 109 Ia 10 f.). Wären diese Schäden bei einer Anfechtung jedoch nicht angefallen bzw. hätten vermieden werden können, so ist die Anfechtung ausgeschlossen. 

Rechtsgrundlage

Da der Schadenersatzanspruch aus Art. 31 Abs. 3 OR keine selbständige Haftungsgrundlage darstellt, leitet sich dieser aus Delikt ab (BGE 66 II 159 f.). Wurde die Täuschung durch den Vertragspartner ausgeführt, so kann er ausserdem aus culpa in contrahendo belangt werden. Mit dem Schadenersatz wird das negative Interesse geltend gemacht (Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Koller, 2009, § 14 N 196). 

Beweislast

Die Beweislast (Art. 8 ZGB) für die Voraussetzungen der absichtlichen Täuschung trägt der Getäuschte. Wird die Täuschungshandlung nachgewiesen, so wird der Kausalzusammenhang vermutet (BGE 129 III 320 E. 6.3). Der Täuschende kann rechtsbefreiend (sog. Exkulpation) nur noch beweisen, dass der Vertrag auch ohne Täuschung geschlossen worden wäre.

Haftungsausschluss

Die Folgen der eigenen absichtlichen Täuschung können nicht wegbedungen werden (Art. 100 Abs. 1 OR). 

Gewährleistung

Die Wegbedingung von Gewährleistungsrechten schliesst nicht die Möglichkeit der Berufung auf absichtliche Täuschung aus (BGE 123 III 170).

Irrtum

Bei der absichtlichen Täuschung wird ein Irrtum beim Getäuschten hervorgerufen. Handelt es sich um einen wesentlichen Irrtum, so kann sich der Getäuschte auch auf diesen berufen. Beruft sich der Getäuschte auf beide Tatbestände, so geht die absichtliche Täuschung vor, da dieser einen weitergehenden Schutz bietet (BGE 40 II 538). 

Der Verkäufer verkauft dem ahnungslosen Käufer ein Occasion-Auto mit Unfallschaden. Dieser Unfallschaden wird jedoch vom Verkäufer verheimlicht. Der Kaufvertrag ist nicht verbindlich für den Käufer.

Unter absichtlicher Täuschung versteht man, wenn eine Vertragspartei die andere Vertragspartei absichtlich täuscht und dadurch ein Vertrag zustande kommt. Dieser Vertrag ist jedoch für die getäuschte Partei nicht verbindlich.

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Kommentare

  1. Audi Täuschung

    Guten Tag

    Wir haben im Dezember 2014 einen Audi gekauft, welcher vom Dieselskandal betroffen ist.

    Sie schreiben in Ihrem Artikel:
    „Der Getäuschte trägt die Beweislast und die Frist zur Anfechtung beträgt ein Jahr, welche mit der Entdeckung der Täuschung beginnt. “

    Aufgrund dessen, dass der VW Konzern bis heute noch keine nachhaltige Lösung präsentiert hat, welche die längerfristigen Kosten und Lösungen regelt, fragen wir (Die Getäuschten) uns nun folgendes:
    a) haben wir in diesem konkreten Fall eine Beweislast?
    b) gilt die einjährige Anfechtungsfrist ab unserem Kaufdatum (Dezember 2014) oder ab dem Tag wo Audi offizielle die kriminelle Handhabung zugegeben hat?

    Wir wissen leider nicht, ob wir in diesem konkreten Fall ‚abwarten sollten‘ oder selber etwas sicherheitshalber unternehmen müssen, um uns gegen längerfristige Konsequenzen abzusichern.

    Über eine Klärung würden wir uns sehr freuen! Vielen Dank!

  2. Barthel

    Guten Tag
    Ich habe im Januar 17 einen Mietvertrag Unterschrieben. Ohne das ich von Altlasten im Gebäude gewusst habe. Dies ist erst bei der Nutzungsänderung bekannt geworden.
    Am 29.5.17 hat mir dann der Vermieter den Befundbericht zugeschickt.
    Es wurde jedoch wie gesagt Nie erwähnt das es Altlaten hat. Er wusste aber davon seitdem er das Gebäude 2016 erworben hat
    Der Umbau hat mich über 3 Monate an Zeit gekostet und ca 100’000CHF womit ich nicht gerechnet habe dies wäre eigentlich rücklagen und Geld für die Miete und Werbung gewessen.
    Kann ich diesen Vertrag anfechten oder für nichtig erklären lassen?
    Danke für Ihre rückantwort(en)

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