Die Anweisung

Bei der Anweisung wird der Angewiesene vom Anweisenden ermächtigt, Geld (sowie Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen) an den Anweisungsempfänger zu leisten und damit die Schuld des Anweisenden gegenüber dem Anweisungsempfänger zu tilgen. Der Anweisungsempfänger ist gleichzeitig ermächtigt, die Leistung vom Angewiesenen in eigenem Namen zu verlangen. Bei der Anweisung wird zwischen dem Valutaverhältnis, dem Deckungsverhältnis und dem Leistungsverhältnis unterschieden.

Die Anweisung tritt als Kreditanweisung, Anweisung auf Schuld, Zahlungsanweisung oder als titulierte Anweisung auf. Der Widerruf der Anweisung hat u.U. gegenüber dem Anweisungsempfänger und dem Angewiesenen zu erfolgen. Mängel in den Grundverhältnissen sowie bei fehlender Anweisung zeitigen unterschiedliche Wirkungen. 

Die Anweisung ist im Besonderen Teil des OR geregelt (Art. 466 ff. OR), gehört aber systematisch zum Allgemeinen Teil des OR, da es sich nicht um ein besonderes Vertragsverhältnis handelt.

Gesetzliche Definition

Durch die Anweisung wird der Angewiesene ermächtigt, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, und dieser, die Leistung von jenem in eigenem Namen zu erheben. (Art. 466 ff. OR)

Parteien und Verhältnisse

Bei der Anweisung wird zwischen folgenden Parteien unterschieden:

Zwischen den Parteien herrschen unterschiedliche Verhältnisse:

  • Valutaverhältnis (bspw. Kaufpreisschuld): zwischen Anweisendem (A) und Anweisungsempfänger (B)
  • Deckungsverhältnis (bspw. Bankkonto, Auftrag): zwischen Anweisendem (A) und Angewiesenem (C)
  • Leistungsverhältnis (bspw. Auszahlung, Zuwendung): zwischen Angewiesenem (C) und Anweisungsempfänger (B)

Grafische Darstellung

anweisung 

Grundsatz

Das Deckungsverhältnis stellt keine Verpflichtung des Angewiesenen (C) dar, sondern lediglich eine Ermächtigung zur Leistung an den Anweisungsempfänger (B). (Art. 468 OR)

Ausnahmen

Es gibt zwei Ausnahmen:

Anweisung auf Schuld

Ist der Angewiesene (C) der Schuldner des Anweisenden (A) und entsteht dem Angewiesenen (C) durch die Anweisung kein Schaden (Wortlaut: keine Verschlimmerung der Lage), so ist er zur Zahlung an den Anweisungsempfänger (B) verpflichtet. (Art. 468 Abs. 2 OR)

Anweisung ohne Vorbehalt

Erklärt der Angewiesene (C) dem Anweisungsempfänger (B) die vorbehaltslose Annahme, so wird er zur Zahlung verpflichtet. (Art. 468 Abs. 1 OR)

Grundsatz

Im Valutaverhältnis stellt der Anweisende (A) der Schuldner dar und der Anweisungsempfänger (B) der Gläubiger. 

Tilgung

Die Tilgung des Valutaverhältnisses erfolgt erst durch Zahlung und bereits im Zeitpunkt der Anweisung. (Art. 467 Abs. 1 OR)

Bindung des Anweisungsempfängers

Der Anweisungsempfänger ist erst gebunden, wenn er die Anweisung annimmt (Art. 467 Abs. 2 OR). Der Anweisungsempfänger darf die Anweisung daher ablehnen, muss den Anweisenden (A) aber unverzüglich darüber informieren, da er ansonsten schadenersatzpflichtig wird. (Art. 467 Abs. 3 OR)

Ausfall der Leistung

Der Anweisungsempfänger (B) kann seine Forderung gegenüber dem Anweisenden (A) nur dann wieder geltend machen, wenn der Angewiesene (C) die Zahlung trotz Aufforderung nicht zeitgerecht geleistet hat. (Art. 467 Abs. 2 OR)

Grundsatz

Das Leistungsverhältnis ist eine abstrakte Verpflichtung des Angewiesenen (C) gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) bei einer Annahme ohne Vorbehalt oder bei einer Anweisung auf Schuld. Dies begründet eine eigene Forderung des Anweisungsempfängers (B) gegenüber dem Angewiesenen (C). (Art. 468 Abs. 1 OR)

Einrede

Der Angewiesene (C) hat grundsätzlich gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) keine Möglichkeit der Einrede aus dem Deckungsverhältnis oder dem Valutaverhältnis.  

Konsequenzen

Wird das Leistungsverhältnis erfüllt, so wird damit auch das Deckungsverhältnis und das Valutaverhältnis erfüllt.

Grundsatz

Die Anweisung tritt in folgenden Konstellationen auf:

  • Kreditanweisung,
  • Anweisung auf Schuld,
  • Zahlungsanweisung, sowie
  • titulierte Anweisung.

Kreditanweisung

Besteht zwischen dem Anweisenden (A) und dem Anweisungsempfänger (B) ein Darlehensvertrag, so führt die Zahlung durch den Angewiesenen (C) zur Tilgung des Kredits.

Anweisung auf Schuld

Besteht sowohl eine Forderung zwischen dem Anweisenden (A) und dem Anweisungsempfänger (B), sowie eine Schuld des Angewiesenen (C) gegenüber dem Anweisenden (A), so wird durch die Zahlung des Angewiesenen (C) an den Anweisungsempfänger (B) beide Forderungen getilgt.

Zahlungsanweisung

Der Anweisende (A) erfüllt seine Schuld aus dem Valutaverhältnis gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) mittels Leistung der Angewiesenen (C).

Titulierte Anweisung

Falls der Angewiesene (C) seine Leistung an den Anweisungsempfänger (B) ausdrücklich vom Bestand und Umfang der Forderung aus Valutaverhältnis oder Deckungsverhältnis abhängig macht, so darf er (C) die Leistung bei eben solchen Mängeln verweigern. 

Widerruf gegenüber dem Anweisungsempfänger (B)

Der Anweisende (A) kann die Anweisung gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) widerrufen, falls:

  • die Anweisung nicht der Tilgung einer Schuld dient (Art. 470 Abs. 1 OR),
  • die Anweisung nicht zum Vorteil des Anweisungsempfängers (B) erteilt wurde (Art. 470 Abs. 1 OR), oder
  • der Anweisende seine Leistung aus dem Valutaverhältnis verweigern könnte (Lehrmeinung).

Widerruf gegenüber dem Angewiesenen (C)

Solange der Angewiesene (C) weder 

  • Zahlung an den Anweisungsempfänger (B) geleistet hat, noch
  • Annahme der Anweisung erklärt hat,

kann der Anweisende (A) die Anweisung widerrufen. (Art. 470 Abs. 2 OR)

Die Möglichkeit und Zulässigkeit des Widerrufs erfolgt unabhängig von den Voraussetzungen des Widerrufs gegenüber des Anweisungsempfängers (B). (Art. 470 Abs. 1 OR)

Mangel im Deckungsverhältnis

Bei einem Mangel im Deckungsverhältnis, so hat der Angewiesene (C) einen Anspruch auf Kondiktion (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR) gegenüber dem Anweisenden (A).

Mangel im Valutaverhältnis

Vor Zahlung / Annahme

Tritt der Mangel im Valutaverhältnis vor der Zahlung oder der Annahme der Anweisung auf, so darf der Anweisende (A) die Anweisung widerrufen. (Art. 462 Abs. 1 und 2 OR)

Nach Zahlung / Annahme

Tritt der Mangel im Valutaverhältnis nach der Zahlung oder der Annahme der Anweisung auf, so hat der Anweisende (A) einen Anspruch auf Kondiktion (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR) gegenüber dem Anweisungsempfänger (B). 

Doppelmangel

Grundsatz

Tritt der Mangel sowohl im Deckungsverhältnis als auch im Valutaverhältnis auf, so handelt es sich um einen Doppelmangel.

Folgen

Der Anweisende (A) kann daraufhin den Kaufpreis vom Anweisungsempfänger (B) kondizieren (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR). 

Der Angewiesene (C) kann zudem die Zahlung vom Anweisenden (A) kondizieren (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR).

Kondiktion der Kondiktion

Der Einfachheit halber kann der Anweisende (A) auch seinen Kondiktionsanspruch (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR) gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) auch direkt dem Angewiesenen (C) abtreteten.

Fehlen oder Nichtigkeit der Anweisung

Grundsatz

Im Normalfall hat der Angewiesene (C) keinen direkten Kondiktionsanspruch gegenüber dem Anweisungsempfänger (B).

Leistung ohne Grund

Stellt sich jedoch heraus, dass die Anweisung fehlerhaft war oder gar nicht bestand (sog. Leistung ohne Anweisung), so hat der „Angewiesene“ (C) einen direkten Kondiktionsanspruch (Art. 62 Abs. 1 OR und Art. 63 Abs. 1 OR) gegenüber dem Anweisungsempfänger (B), da es sich um den simpelsten Fall der ungerechtfertigten Bereicherung handelt.

Leistung aus weggefallenem Grund

Fällt die Anweisung nach der Leistung durch den Angewiesenen (C) nachträglich weg, so hat der Angewiesene (C) Anspruch auf Direktkondiktion gegenüber dem Anweisungsempfänger (B).

Die Direktkondition des Angewiesenen (C) ist ausgeschlossen, falls kumulativ

  • die Anweisungsempfängerin (B) gutgläubig war, und
  • der Anweisende (A) den Anschein einer beabsichtigten Zuwendung geschaffen hat.

In diesem Falle unterscheidet das Bundesgericht zwei Konstellationen:

  • Anweisender (A) ist durch Wegfall bereichert: Der Anweisungsempfänger (B) hat einen Kondiktionsanspruch gegenüber dem Anweisenden (A)
  • Anweisender (A) ist durch Wegfall nicht bereichert: Der Anweisende (A) hat seinen Kondiktionsanspruch gegenüber dem Anweisungsempfänger (B) an den Angewiesenen (C) abzutreten (Kondiktion der Kondiktion). 

Alfred hat bei Bruno ein Auto gekauft (Valutaverhältnis). Christian hat noch eine offene Schuld gegenüber Alfred (Deckungsverhältnis), weshalb Alfred Christian ermächtigt, direkt an Bruno zu leisten (Leistungsverhältnis). Durch die Bezahlung von Christian (Angewiesener) an Bruno (Anweisungsempfänger), ist die Kaufpreisschuld von Alfred (Anweisender) erfolgreich getilgt.

Bei der Anweisung wird der Angewiesene vom Anweisenden ermächtigt, Geld (sowie Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen) an den Anweisungsempfänger zu leisten und damit die Schuld des Anweisenden gegenüber dem Anweisungsempfänger zu tilgen. Der Anweisungsempfänger ist gleichzeitig ermächtigt, die Leistung vom Angewiesenen in eigenem Namen zu verlangen. Bei der Anweisung wird zwischen dem Valutaverhältnis, dem Deckungsverhältnis und dem Leistungsverhältnis unterschieden.

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