Streit im Drei-Parteien-Verhältnis
Materielle Voraussetzungen
Grundsatz
Damit die einfache Streitverkündung zulässig ist, muss eine Partei zu einem späteren Zeitpunkt beabsichtigen, eine dritte Person zu belangen, oder sie muss das Risiko tragen, selber zu einem späteren Zeitpunkt belangt zu werden (Art. 78 Abs. 1 ZPO). Die einfache Streitverkündung dient dem Erhalt von Regressansprüchen für den Fall des Unterliegens im Hauptprozess (Zivilprozessrecht, Staehelin/Staehelin/Grolimund, 2013, § 13 N 64), ohne den Einwand des schlecht geführten Prozesses gegen sich gelten lassen zu müssen (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 78 N 4).
Rechtsschutzinteresse
Obwohl kein rechtliches Interesse dargetan werden muss bei der einfachen Streitverkündung (Schweizerisches Zivilprozessrecht und Grundzüge des internationalen Zivilprozessrechts, Spühler/Dolge/Gehri, 2011, § 21 N 92), so muss das Rechtsschutzinteresse trotzdem vorliegen, welches jedoch stillschweigend angenommen wird (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 78 N 5).
Erklärung der Streitverkündung
Adressat
Die Streitverkündung kann mündlich oder schriftlich erfolgen und richtet sich an eine dritte Person, die Hauptpartei im Prozess zu unterstützen.
Mittel
Die einfache Streitverkündung kann entweder über das Gericht oder mittels aussergerichtlicher Erklärung erfolgen. Erfolgt die einfache Streitverkündung über eine gerichtliche Eingabe, so informiert das Gericht die streitberufene Person über die einfache Streitverkündung. Diese Information erfolgt über eine Zustellung der Gerichtseingabe oder ohne diese, falls die einfache Streitverkündung mündlich erhoben wurde.
Gründe
Bei der Zustellung der Gerichtseingabe sind für die streitberufene Partei die Gründe der Streitverkündung aus dem Schriftsatz ersichtlich, wobei die an die Substantiierung der Gründe keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Anhand dieser Gründe kann die streitberufene Partei entscheiden, ob und wie sie sich in das Verfahren einbringen will. Bei der mündlichen Streitverkündung erfolgt die Information über die Gründe summarisch.
Frist
Die Gerichte setzen der streitberufenen Partei eine kurze Frist an, in welcher sie erklären müssen, ob und in welcher Form und zugunsten von welcher Hauptpartei sie die Unterstützung im Prozess anbieten (Zivilprozessrecht, Walder/Grob, 2009, § 14 N 1 FN 2). Auch nach dieser Frist bleibt die streitberufene Partei berechtigt, sich als Nebenintervenient im Prozess aufzustellen (Art. 74 ZPO). Bei der aussergerichtlichen Streitverkündung ist das Gericht dann zu informieren, wenn die streitberufene Partei entscheidet, als Nebenintervenient aufzutreten.
Frist
Kantonale Gerichte
Die einfache Streitverkündung ist solange möglich, als die streitverkündende Partei zur Prozessführung berechtigt ist (Botschaft ZPO, 7283), weshalb sie in jedem Verfahrensstadium erhoben werden kann (d.h. bspw. auch noch vor zweiter Instanz). Die einfache Streitverkündung ist daher bereits im Schlichtungsverfahren zulässig, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bereits mit dem Schlichtungsgesuch eintritt (Art. 62 ZPO), wobei gewisse Autoren auch von der Zulässigkeit vor der Rechtshängigkeit ausgehen (Berner Kommentar ZPO, Zuber/Gross, Art. 78 N 15).
Bundesgericht
Die Streitverkündung mittels gerichtlicher Eingabe und die Nebenintervention ist vor Bundesgericht ausgeschlossen (BGer 4A_360/2012. E. 1), da zur Beschwerde in Zivilsachen lediglich berechtigt ist, wer am Verfahren der Vorinstanz teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme hatte (Art. 76 Abs. 1 BGG). Eine interne Unterstützung bleibt logischerweise zulässig.
Verfahrensart
Die einfache Streitverkündung und die Nebenintervention ist allen Verfahrensarten möglich (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 78 N 14).
Gerichtsstandsvereinbarung
Die einfache Streitverkündung kann nicht mittels Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen werden, da die streitberufene Partei keine Parteistellung im Hauptprozess erhält und daher auch nicht die Einrede der fehlenden Zuständigkeit geltend machen kann.
Das Gericht muss die einfache Streitverkündung ohne Weiteres zulassen und die Gegenpartei kann keinen Einspruch gegen die Teilnahme der streitberufenen Person erheben. Die Wirkung der Streitverkündung wird erst im Folgeprozess zwischen der streitverkündenden und streitberufenen Partei entschieden (Zivilprozessrecht, Staehelin/Staehelin/Grolimund, 2013, § 13 N 65). Damit grenzt sich die einfache Streitverkündung von der Nebenintervention ab, bei welcher das Gericht die Voraussetzungen prüft, die Parteien anhört und danach über die Zulassung entscheidet (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 78 N 16).
Die streitberufene Partei kann den Streit weiterverkünden (Art. 78 Abs. 2 ZPO), obwohl dies materiellrechtlich kaum Auswirkungen hat, denn zwischen diesen beiden Parteien kein die erststreitberufene Partei direkt bindendes Urteil ergeht, welches sich sich auf die zweitstreitberufene Partei auswirken könnte (Zivilprozessrecht, Walder/Grob, 2009, § 14 N 1 FN 6).
Grundsatz
Die streitberufene Partei kann sich auf folgende Arten in den Hauptprozess einbringen:
- rein interne Unterstützung,
- Beteiligung als Nebenintervenient,
- Vertretung der streitverkündenden Partei,
- Übernahme des Prozessverfahrens.
Die Wirkungen der einfachen Streitverkündung treten unabhängig davon ein, wie sich die streitberufene Partei involviert (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 79 N 2). Eine Unterstützung bedeutet zudem keine Anerkennung von Regressansprüchen (Guldener, ZPR, 310, FN 24).
Beteiligung als Nebenintervenient
Grundsatz
Die streitberufene Partei kann ohne Erfüllen weiterer Voraussetzungen in das Prozessverfahren intervenieren, wobei ein rechtliches Interesse angenommen wird. Die Einhaltung einer Frist wird nicht vorausgesetzt, weshalb eine Nebenintervention nach erfolgter Streitverkündung solange möglich ist, als dass eine selbständige Nebenintervention (Art. 74 ZPO) möglich wäre.
Vorgehen
Damit die streitberufende Partei als intervenierende Partei auftreten kann, muss sie dies dem Gericht gegenüber erklären müssen und ein entsprechendes Interventionsgesuch stellen. Das Gericht darf und muss dieses Interventionsgesuch jedoch nicht überprüfen.
Rechte
Die streitberufene intervenierende Partei hat die regulären Rechte des Nebenintervenienten. Dessen Prozesshandlungen, welche im Widerspruch zur streitverkündenden Partei stehen, sind daher für den Hauptprozess wirkungslos, werden jedoch zu Beweiszwecken in den Prozessakten belassen, was im anschliessenden Regressprozess von Relevanz ist (Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, Schiedsgerichte und Schiedsgutachten, Frank/Sträuli/Messmer, 1997, § 46 ZPO/ZH N 6).
Prozessuales
Die streitberufene intervenierende Partei kann nicht mehr als Zeuge einvernommen werden (Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, Schiedsgerichte und Schiedsgutachten, Frank/Sträuli/Messmer, 1997, § 46 ZPO/ZH N 3). Ihr kann zudem ein Teil der Gerichtskosten auferlegt werden, da sie eine Nebenpartei ist (Handkommentar ZPO, Hahn, 2010, Art. 79 N 13).
Vertretung
Die Hauptpartei kann sich durch die streitberufene Partei vertreten lassen (Art. 68 ZPO) und jederzeit wieder in den Prozess zurückkehren und die Führung wieder übernehmen (Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, Schiedsgerichte und Schiedsgutachten, Frank/Sträuli/Messmer, 1997, § 48 ZPO/ZH N 2).
Parteiwechsel
Grundsatz
Die streitberufene Partei kann den Prozess anstelle der streitverkündenden Partei führen, sofern diese der Prozessübernahme zustimmt. Die streitberufene Partei führt danach als Prozessstandschafter in eigenem Namen aber für fremdes Recht den Prozess (Botschaft ZPO, 7284), ohne dass die Gegenseite zustimmen muss (Bericht VE-ZPO, 40). Die streitverkündende Partei verliert diesfalls jedoch unwiderruflich die Kontrolle über das Verfahren (Berner Kommentar, Zuber/Gross, Art. 79 N 11 f.).
Prozessuales
Es sind auch diejenigen Prozesshandlungen der streitberufenen Partei wirksam, die einen Widerspruch zu den bisherigen Prozesshandlungen der streitverkündenden Partei darstellen. Desweiteren haftet die streitberufene Partei für die Prozesskosten ab dem Zeitpunkt des Parteiwechsels alleine. (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 79 N 13 f.).
Grundsatz
Ein für die Hauptpartei ungünstiges Prozessergebnis wirkt auch gegen die streitberufene Partei (Art. 77 ZPO).
Ausnahme
Das ungünstige Prozessergebnis wirkt nicht gegen die streitberufene Partei, wenn sie durch die Lage des Prozesses zum Zeitpunkt ihres Eintritts, oder durch Handlungen sowie Unterlassungen der Hauptpartei verhindert gewesen ist, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen (Art. 77 lit. a ZPO). Das ungünstige Prozessergebnis wirkt ebenfalls nicht, wenn Angriffs- oder Verteidigungsmittel der Hauptpartei durch diese absichtlich oder grobfahrlässig nicht geltend gemacht worden sind und diese der streitberufenen Partei unbekannt gewesen sind (Art. 77 lit. a ZPO).
Passive Haltung
Die streitberufene Partei kann sich auch dazu entscheiden, der Streitverkündung keine Folge zu leisten, da es sich um eine reine Obliegenheit handelt. Diesfalls wird der Prozess ohne sie fortgesetzt, wobei sie jedoch die Einrede des schlecht geführten Prozesses verliert (Zivilprozessrecht, Staehelin/Staehelin/Grolimund, 2013, § 13 N 65). Dies hat jedoch keinen Einfluss auf den Regressprozess zwischen der streitverkündenden Partei und der streitberufenen Partei (BSK ZPO, Frei, 2013, Art. 79 N 18).
Widerruf
Ein Widerruf der einfachen Streitverkündung ist ausgeschlossen.
Verjährung
Die einfache Streitverkündung unterbricht die Verjährung nicht, da sie keine gerichtliche Geltendmachung gegenüber der streitberufenen Partei darstellt.
Kosten
Die Parteientschädigung der streitberufenen Partei muss bei Obsiegen im Hauptprozess im zweiten Prozess gegenüber der streitverkündenden Partei geltend gemacht werden. Dies kann jedoch mittels Eventualantrag umgangen werden, mit welchem der Richter bereits im ersten Verfahren über die Kostenverteilung entscheidet (Zivilprozessrecht, Staehelin/Staehelin/Grolimund, 2013, § 13 N 70). Die Gerichtskosten sind bei Unterliegen zwischen der streitverkündenden und der streitberufenen Partei aufzuteilen, ausser die streitberufene Partei hat das Verfahren mittels Parteiwechsel übernommen.
Die einfache Streitverkündung ist von der selbständigen Nebenintervention und der Streitverkündungsklage abzugrenzen. Die selbständige Nebenintervention (Art. 74 ZPO) ist unabhängig von den Hauptparteien und kann frei gestellt werden, muss jedoch vom Gericht nach Anhörung der Parteien bewilligt werden (Art. 75 ZPO). Die einfache Streitverkündung (Art. 81 ZPO)bewirkt keinen Regressanspruch gegenüber der streitberufenen Partei, weshalb ein nachfolgender Prozess angehoben werden muss. Die Streitverkündungsklage hingegen hat den Vorteil, dass bereits im Hauptverfahren über den Regressanspruch entschieden werden kann.
Claude hat von Tobias ein Velo geklaut und anschliessend an Gicella verkauft. Nun hat Tobias herausgefunden, dass Gicella das Velo hat und verlangt es von ihr heraus, da er ein besseres Recht geltend macht. Er erhebt daher eine Leistungsklage, woraufhin Gicella gegenüber Claude den Streit verkündet, da sie ihm gegenüber einen Anspruch auf Rechtsgewährleistung hat. Damit wahrt sie ihre Rechte und Claude kann nachher nicht geltend machen, dass sie den Prozess schlecht geführt hätte.
Damit die einfache Streitverkündung zulässig ist, muss eine Partei zu einem späteren Zeitpunkt beabsichtigen, eine dritte Person zu belangen, oder sie muss das Risiko tragen, selber zu einem späteren Zeitpunkt belangt zu werden. Die einfache Streitverkündung dient dem Erhalt von Regressansprüchen für den Fall des Unterliegens im Hauptprozess. Die einfache Streitverkündung kann entweder über das Gericht oder mittels aussergerichtlicher Erklärung erfolgen. Die einfache Streitverkündung bewirkt keinen Regressanspruch gegenüber der streitberufenen Partei, weshalb ein nachfolgender Prozess angehoben werden muss. Ein für die Hauptpartei ungünstiges Prozessergebnis wirkt auch gegen die streitberufene Partei.
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