Recht auf Demonstration?

Gesetze oder Verordnungen können nicht nur Rechte begründen, sondern diese auch einschränken. Dabei ist jedoch stets zu prüfen, ob eine unzulässige Einschränkung von Grundrechten vorliegt. Damit eine Einschränkung von Grundrechten zulässig ist, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, des öffentlichen Interesses sowie der Verhältnismässigkeit und der Wahrung des Kerngehalts.

Als Grundrechte werden diejenigen Rechte bezeichnet, welche grundlegend sind und dem Einzelnen gegenüber dem Staat zustehen. Sie sind auf die Verfassung oder internationale Abkommen zurückzuführen. Dazu zählen Freiheitsrecht, Rechtsgleichheit und Willkürverbot, Verfahrensrechte sowie soziale Grundrechte. Die Grundrechte kann der Einzelne mit Rechtsmitteln durchsetzen, da sie unmittelbar anwendbare Individualrechte darstellen.

Grundsatz

Eine Einschränkung von Grundrechten bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV).

Erfordernis des Rechtssatzes

Die Erfordernis des Rechtssatzes besagt, dass eine solche Einschränkung in einer generell-abstrakten Regelung vorgesehen und genügend bestimmt sein muss. Unter einer generell-abstrakten Norm wird verstanden, wenn sich diese Norm an eine unbestimmte Anzahl Personen richtet und eine unbestimmte Vielzahl von Fällen regelt. Die Norm ist dann genügend bestimmt, wenn die Formulierung derart präzise ist, dass der Adressat (Bürger) sein Verhalten danach richten kann und sich daher auch der Folgen seines Verhaltens bewusst ist.

Ob eine Norm genügend bestimmt ist, kann nicht absolut beurteilt werden, sondern hängt von Faktoren wie Komplexität, Vorhersehbarkeit und Vielfalt der Materie und des Sachverhalts ab. Aus diesem Grund wird eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen und insb. auf die Schwere des Eingriffs abgestellt. Je schwerer der geplante Eingriff wiegt, desto bestimmter muss die gesetzliche Grundlage sein.

Erfordernis der Gesetzesform

Bei einer schweren Einschränkung von Grundrechten muss die gesetzliche Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen sein. Ein Gesetz im formellen Sinn ist jeder Erlass, der vom Parlament im Verfahren der Gesetzgebung beschlossen und als Gesetz bezeichnet wird (Pierre Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Stämpfli Verlag AG Bern 2011, S. 5564). 

Bein einem leichten Eingriff genügt eine rechtliche Regelung auf Verordnungsstufe, solange diese sich auf eine hinreichende und zulässige Delegationsnorm in einem Gesetz im formellen Sinn stützt.

Polizeiliche Generalklausel

Bei schweren, zeitlich unmittelbaren und nicht anders abwendbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist es ausnahmsweise zulässig, die polizeiliche Generalklausel als gesetzliche Grundlage heranzuziehen. Die polizeiliche Generalklausel ist jedoch nicht anwendbar, wenn die entsprechende Gefahr bekannt, erkennbar oder vorhersehbar war und trotzdem keine gesetzliche Regelung erlassen wurde (BGE 130 I 369 E. 7.3).

Eine Einschränkung von Grundrechten muss entweder durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten von Drittpersonen gerechtfertigt sein (Art. 36 Abs. 2 BV). Zu diesem öffentlichen Interesse zählen öffentliche Sicherheit, Gesundheit, Ruhe und Ordnung, Sittlichkeit sowie Treu und Glauben.

Grundsatz

Damit eine Einschränkung von Grundrechten zulässig ist, muss der Eingriff verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV). Der Begriff der Verhältnismässigkeit ist dreiteilig, welche kumulativ erfüllt sein müssen: Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit.

Eignung

Eine Massnahme ist geeignet, wenn damit ein Ziel des öffentlichen Interesses erreicht werden kann, bzw. wenigstens ein wesentlicher Beitrag zu dieser Zielerfüllung geleistet wird.

Erforderlichkeit

Eine Massnahme ist erforderlich, wenn es sich um den geringstmöglichen Eingriff handelt und sie somit nicht über das Notwendige hinausgeht. Wäre ein mildere Massnahme gleich oder besser geeignet, so darf die geplante Massnahme nicht verwendet werden.

Zumutbarkeit

Bei der Zumutbarkeit wird geprüft, wie der Eingriff im Vergleich zum verfolgten öffentlichen Interesse wiegt. Falls der Eingriff zu intensiv ist, so er unzumutbar und somit unverhältnismässig. 

Eine Einschränkung von Grundrechten ist nur zulässig, falls der Kerngehalt des betroffenen Grundrechts gewahrt wird (Art. 36 Abs. 4 BV). Als Kerngehalt wird dabei der zentrale und unverzichtbare Teil eines Grundrechts bezeichnet. Teilweise ist der Kerngehalt jedoch mit dem Grundrecht deckungsgleich (bspw. Folterverbot), weshalb in einem solchen Fall keine Einschränkung zulässig wäre.

Eine Einschränkung von Grundrechten ist zulässig, bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage, des öffentlichen Interesses sowie der Verhältnismässigkeit und der Wahrung des Kerngehalts. 

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