Ausbezahlung von Ferien – zulässig?
Es gibt zwei Anwendungsfälle des Begriffs Ferienlohn:
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für den Urlaub den gesamten darauf entfallenden Lohn zu bezahlen (Art. 329 Abs. 1 OR). Der Vorgesetzte muss seine Angestellten während der Ferienzeit lohnmässig gleich stellen, wie wenn diese gearbeitet hätten. Während dem laufenden Anstellungsverhältnis meint Ferienlohn somit die Entschädigung, die der Mitarbeitende ausbezahlt erhält, während er seinen Urlaub geniesst.
Als Ferienlohn wird auch die Entschädigung bezeichnet, wenn der Urlaub nicht bezogen, sondern (ausnahmsweise) in Geld ausbezahlt wird.
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaub von mindestens vier Wochen pro Dienstjahr. (Art. 329a Abs. 1 OR) Die Ferien sind grundsätzlich in natura zu beziehen. Es gilt das Abgeltungsverbot (BGE 4A_72/2015). Nur so ist der Erholungszweck für den Arbeitenden sichergestellt. (Art. 329c Abs. 1 OR) Mit anderen Worten darf der Ferienanspruch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht in Geld oder mittels anderen Vergünstigungen abgegolten werden. (Art. 329d Abs. 2 OR) Das Abgeltungsverbot ist zwingendes Recht. Die Firma darf dem Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht in Geld ausbezahlen, auch nicht wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich auf seine Ferien verzichtet und stattdessen Geld möchte. Die Gerichtspraxis ist sehr streng.
Sind gewisse Voraussetzungen erfüllt, muss der Ferienanspruch im Einzelfall nicht in natura bezogen werden, sondern darf in Geld entschädigt werden, beispielsweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder unter gewissen Bedingungen bei Mitarbeitenden im Stundenlohn.
Hat der Arbeitnehmer am letzten Tag des Anstellungsverhältnisses noch ein Ferienguthaben, weil es z.B. aus betrieblichen Gründen nicht möglich war, dass er während der Kündigungsfrist alle Ferien in natura bezieht, wandelt sich der Ferienanspruch in einen geldwerten Anspruch. Es ist zulässig, das (Rest-)Ferienguthaben mit der letzten Lohnabrechnung in Geld auszubezahlen. Das gilt für Arbeitsverhältnisse im Monats- und im Stundenlohn.
Der Arbeitnehmer im Monatslohn erhält während der Ferienzeit den gleichen Lohn ausbezahlt, wie wenn er gearbeitet hätte. Es ist nicht zulässig, die Urlaubsentschädigung in die monatlichen Lohnzahlungen einrechnen zu wollen. In der Praxis ergeben sich hier kaum Schwierigkeiten.
Ausnahmsweise ist im Einzelfall die Abgeltung des Ferienanspruches in Geld während der Dauer des Arbeitsverhältnisses laufend zulässig, sofern es sich um ein Anstellungsverhältnis im Stundenlohn mit sehr unregelmässiger Arbeitsleistung oder um einen sehr kurzen Arbeitseinsatz handelt. Es müssen jedoch strenge Formvorschriften beachtet werden. Sind die Formvorschriften nicht eingehalten, trägt die Firma ein hohes Doppelzahlungsrisiko.
Für Arbeitsverhältnisse im Stundenlohn mit regelmässiger Arbeitsleistung ist eine Abweichung vom Abgeltungsverbot zum vornherein nicht zulässig.
Will der Arbeitgeber vom Abgeltungsverbot abweichen, muss er gemäss der Praxis des Bundesgerichts doppelte Formvorschriften einhalten (sogenanntes Spezifikationserfordernis): Der für die Ferien bestimmte Lohnanteil muss separat ausgewiesen werden: a) im Arbeitsvertrag und b) zusätzlich auf jeder einzelnen Lohnabrechnung (BGE 4A_72/2015). Das bedeutet, dass bei Anstellungsverhältnissen im Stundenlohn im Arbeitsvertrag und auf jeder einzelnen Lohnabrechnung zwingend der Zuschlag „Anteil Ferienlohn“ in Frankenbeträgen oder in Prozenten gesondert aufgeführt werden muss. Formulierungen wie „Ferienlohn inbegriffen“ genügen nicht. Wird hiergegen verstossen, müssen trotz erbrachter Leistungen die Ferienlöhne bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachgezahlt werden (sog Doppelzahlungsrisiko des Arbeitgebers).
Bei einem Verstoss gegen das Abgeltungsverbot riskiert der Betrieb, dass die in Geld entschädigten Ferien als nicht bezogen gelten und am Ende des Arbeitsverhältnisses nochmals bezahlt werden müssen. Das Unternehmen riskiert mit anderen Worten, den Ferienlohn doppelt bezahlen zu müssen. Der Ferienanspruch verjährt nach fünf Jahren. Das Doppelzahlungsrisiko besteht deshalb ebenfalls rückwirkend für fünf Jahre. Eine Doppelzahlung ist für die betroffenen Firmen meist nicht nachvollziehbar und wird oft als ungerecht empfunden.
Sebastian ist Angestellter und spart auf eine eigene Wohnung. Damit er sich diesen Traum schneller erfüllen kann, will er auf einen Teil seiner Ferien verzichten und sich diese stattdessen auszahlen lassen. Sein Chef findet das auch eine tolle Idee, da Sebastian dann weitere Projekte übernehmen kann und weniger im Betrieb fehlt. Da Sebastian jedoch im Monatslohn und nicht im Stundenlohn arbeitet, ist die Bezahlung eines Ferienlohns nicht zulässig und er muss stattdessen die gesetzlich vorgesehenen Ferien beziehen.
Der Ferienanspruch des Arbeitnehmers darf nur ausnahmsweise in Geld abgegolten werden, so z.B. nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Unter gewissen Bedingungen darf im Stundenlohn der Ferienlohn zusammen mit dem übrigen Lohn laufend ausbezahlt werden. Es müssen jedoch strenge Formvorschriften eingehalten werden, ansonsten trägt der Arbeitgeberbetrieb das Doppelzahlungsrisiko. Es lohnt sich also, die Arbeitsverträge vorab durch einen Anwalt juristisch prüfen zu lassen.
Die Gerichtspraxis ist in den letzten Jahren immer strenger geworden: Es ist nicht auszuschliessen, dass in Zukunft das Abgeltungsverbot noch schärfer gehandhabt wird und auch beim Stundenlohn der Ferienlohnanteil nicht mehr laufend ausbezahlt werden darf. Dann werden viele Betriebe ihre Ferien- und Lohnabrechnungssysteme überarbeiten müssen.
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