Es gibt Situationen, bei denen Personen gezwungen sind, strafbare Handlungen zu vollzuziehen um sich oder andere Personen vor Dritten oder Gefahren zu schützen. In diesen Fällen wird von Notwehr und Notstand gesprochen. Liegt ein Fall von Notwehr oder Notstand vor, so bleibt die Tat entschuldbar und damit straffrei. 

Wird bei der Notwehr die Verhältnismässigkeit jedoch nicht mehr gewahrt, so spricht man von NotwehrexzessBeim Notstand wird zudem zwischen rechtfertigendem Notstand und entschuldbarem Notstand unterschieden

Definition

Wird jemand ohne Recht von einem Angreifer angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren. (Art. 15 StGB)

Merkmale

  • Angriff auf eine Person
  • Rechtswidrigkeit des Angriffs
  • Verhältnismässigkeit der Abwehr

Beispiel

Herr X. wird überfallen und schlägt im Reflex den Angreifer ausser Gefecht. Dies wird je nach Fall als einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB) oder Tätlichkeit (Art. 126 StGB) als strafbare Tat angesehen. Da die Tat jedoch begangen wurde, um sich selber zu schützen, bleibt die Tat entschuldbar und somit straffrei. 

Definition

Der sogenannte Notwehrexzess ist Notwehr, bei der die Verhältnismässigkeit nicht gewahrt wurde.

Grundsatz

Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr, so mildert das Gericht die Strafe. (Art. 16 StGB)

Entschuldbarkeit

Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft. (Art. 16 StGB)

Beispiel

Herr X. wird überfallen und nimmt im Reflex dem Angreifer die Waffe aus der Hand und schiesst diesem ins Bein. Dies wird je nach Fall als einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB) oder schwere Körperverletzung (Art. 124 StGB) als strafbare Tat angesehen. Da die Tat jedoch begangen wurde, um sich selber zu schützen, bleibt die Tat grundsätzlich entschuldbar. Da die Grenzen der Notwehr (Notwehrexzess) jedoch überschritten wurden, mildert das Gericht die Strafe. 

Definition

Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes Rechtsgut oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt. (Art. 17 StG)

Das „Opfer“ des rechtfertigenden Notstands hat keine abwehrenden Notwehrrechte und muss die Handlung dulden.

Merkmale

  • Begehung einer strafbaren Tat
  • Rettung eines hochwertigen Rechtsguts
  • Abwendung einer unmittelbaren Gefahr
  • Wahrung höherwertigen Interessen

Beispiel

Frau Y. schlägt das Fenster im Parterre des brennenden Nachbarhauses ein um das sich dort befindende Kind zu retten. Frau Y. hat in das Rechtsgut Eigentum des Nachbars eingegriffen um das höherwertige Rechtsgut Leben zu retten. Die Handlung ist somit straffrei. 

Definition

Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.

War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. (Art. 18 StGB)

Merkmale

  • Begehung einer strafbaren Tat
  • Das gerettete Rechtsgut ist nicht höherwertig als das aufgegebene Rechtsgut
  • Abwendung einer unmittelbaren Gefahr

Beispiel

Nach einem Schiffsunglück kämpfen zwei Schiffbrüchige um den einzigen Platz auf dem Rettungsboot. Sie kämpfen um ihr Leben (Rechtsgut) und der Schwächere wird ins Wasser geworfen und ertrinkt. Dem Überlenden war nicht zuzumuten, sein Leben preiszugeben, weshalb er nicht schuldhaft handelte.

Der Notstand kann entweder ein rechtfertigender Notstand oder ein entschuldbarer Notstand sein. Beim entschuldigenden Notstand liegen keine überwiegenden Interessen vor.

Ist man gezwungen sind, strafbare Handlungen zu vollzuziehen, um sich oder andere Personen vor Dritten oder Gefahren zu schützen, so spricht man von Notwehr oder Notstand. Der sogenannte Notwehrexzess ist Notwehr, bei der die Verhältnismässigkeit nicht gewahrt wurde. Beim Notstand wird zudem zwischen rechtfertigendem Notstand und entschuldbarem Notstand unterschieden.

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Kommentare

  1. Ch. Gerber

    Danke für diese Beispiele.
    Ich selbst hatte eine Situation erlebt, welche ziemlich extrem war und nachdem ich mich mit der Polizei und meinem Anwalt darüber unterhalten hatte, war ich schockiert!!!
    Kurz was passierte:
    Auf einer Autobahn Ausfahrt wurde ich grundlos massiv ausgebremst, sofort stiegen mehrere Personen aus und versuchten die Verschlossenen Türen des Fahrzeuges zu öffnen. Ich hatte das Fenster auf der Fahrerseite offen und der eine packte mich am Hals und schrie irgendetwas…
    Ich hatte derart Angst das ich das Fahrzeug etwas zurücksetzte und dann mit Vollgas neben dem anderen Fahrzeug durchfuhr, der eine musste vor meinem Auto wegspringen. Ich bin unter angst davon gefahren. Ich hielt auf einem Parkplatz an und verständigte den Notruf (Polizei). Diese rieten mir, mich zu beruhigen und auf einem Posten zu kommen und Anzeige zu erstatten. Ich informierte meine Rechtsschutz (Anwalt) und wollte nachfragen ob dies nun Notwehr oder Notstand ist, und erhielt die erschreckende Antort: NEIN! Weder noch… Im Gegenteil, ich hätte nicht auf eine Person zufahren und andere in Gefahr bringen dürfen, um MEIN Leben zu Retten. Ich hätte das Fenster schliessen und die Polizei verständigen sollen…. Abgesehen davon, dass jedes Autofenster sofort stoppt, wenn eine Hand dazwischen ist und wieder aufgeht, ein ziemlich dummer Tipp bei mehreren Aggressiven die Dein Auto klauen wollen.

    Meine Frage nun ist die Folgende: Warum kann ich mit dem Fahrzeug keine Notwehr resp. Notstand geltend machen? Ich kann nicht unbewaffnet aussteigen und mich mit 3 Gorillas anlegen, die einmal husten und ich umfalle. Was ist das für eine dumme Gesetzgebung? Ich hatte panische Angst und hatte KEINE andere Möglichkeit.

    Ich hatte dann KEINE Anzeige erstattet, da ich mich selbst strafbar gemacht hätte. Das Schlimmste kommt noch, ich habe ALLES auf Video d.h. Dashcam aufgenommen, ALLES, auch die 10min. ab Start der Fahrt. Doch das würde gegen mich verwendet werden, laut Anwalt.

    Sollte dies erneut passieren, werde ich mich wohl nicht anderst verhalten, ich werde mich hüten, eine Anzeige zu machen, sonst bin ich selbst dran.

  2. mmlexwiki.ch

    Guten Tag Herr Gerber,

    wenn der Anwalt, den Sie kontaktiert haben, in Anbetracht des vollständigen Sachverhaltes zum Schluss kam, dass er eine Anzeige aufgrund einer möglichen Selbstbelastung durch das Beweismaterial nicht empfehlen kann, können wir diesem Fazit auf Basis der obigen Schilderungen nicht widersprechen. Am Ende war es sicherlich auch eine Abwegung der Chancen und Risiken. Scheinbar sind Sie durch den Vorfall weder verletzt worden, noch wurde Ihr Auto beschädigt, d.h. Sie würden aus der Anzeige keinen persönlichen Nutzen ziehen, gleichzeitig würden Sie sich jedoch der Gefahr aussetzen, sich selber zu belasten. Aus dieser Warte erscheint die Empfehlung des Anwaltes, keine Anzeige zu erstatten, als richtig.

    Ob es sich in Ihrem Falle tatsächlich um Notwehrexzess handeln würde, wenn einer der „Angreifer“ verletzt worden wäre und Sie deshalb strafrechtlich verfolgt würden, ist eine andere Frage und kann vorliegend offen bleiben.

    Wir überlegen diese Frage in generischerer Form in einem zukünftigen Artikel durch einen Strafrechtsexperten aufzunehmen. Selbstverständlich würden wir Sie – sofern wir diese Idee tatsächlich weiterverfolgen würden – entsprechend informieren.

    Wir hoffen Ihnen damit weitergeholfen zu haben,

    Ihr lexwiki.ch-Team

  3. M. Salm

    Sehr geehrtes lexwiki.ch-Team,

    Ich habe diesen Beitrag erst jetzt und per Zufall gelesen. Wie so oft wird hier nicht zu Ende gedacht. Viele Leser interessiert doch, wie denn in solchen Zusammenhängen die Prävention funktioniert. Während wir alle die Situation kennen wenn wir mal 5 oder auch mal 10 km/h über der Limite plus Toleranz fahren und dann eine Busse zahlen müssen (angeblich zur präventiven Wirkung, auch wenn keinerlei Gefahr durch ein solches Verhalten entstand und in der Regel entsteht), würde einen doch auch interessieren wie denn hier mit den tatsächlichen Tätern ( und wir müssen dem hier schreibenden Opfer nun mal bis zum Gegenbeweis glauben ) in Bezug auf die Prävention zukünftiger Bedrohungen behandelt werden sollen. Wie geht die Schweizer Justiz damit um? Gibt es nicht eine Verpflichtung solches Verhalten (Versuchter Wagendiebstahl? Versuchte Tätlichkeit/Gewalt? Fahren in angetrunkenem Zustand? Drogen? Gefährdung der Sicherheit? Verletzung von Strassenverkehrsgesetzen?) zu melden / einzuklagen?

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