Geschwindigkeitsmessung
Art. 98a SVG stellt (fast) alle Arten von «Warnungen vor Verkehrskontrollen» unter Strafe: «Mit Busse wird bestraft, wer öffentlich vor behördlichen Kontrollen im Strassenverkehr warnt, […] [i]n schweren Fällen ist die Strafe [eine] Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.» Mit «behördlichen Kontrollen» sind insbesondere Warnungen vor «Radarfallen» und anderen Geschwindigkeitskontrollen gemeint, aber was bedeutet «öffentlich» in diesem Zusammenhang?
In den parlamentarischen Beratungen zu Via sicura war «öffentlich» nicht näher definiert worden und einzelnen Parlamentariern sowie Behördenmitgliedern hatten sich nicht einheitlich geäussert. Immerhin wurde ausdrücklich erwähnt, dass Warnungen direkt von Person zu Person nicht verboten sein sollen – anders hingegen, «wenn die ganze Öffentlichkeit über Facebook, Twitter oder über Internet über Radarstellen informiert wird […].»
Inzwischen wurden erste Personen wegen öffentlichen Radarwarnungen mittels Social Media bestraft. Da solche Radarwarnungen grundsätzlich «nur» mit Busse bestraft werden, gelten sie als Übertretungen (Art. 103 StGB) und werden deshalb im Übertretungsstrafverfahren verfolgt. Im Kanton Zürich beispielsweise sind dafür die Statthalterämter und nicht die Staatsanwaltschaften zuständig. Die Bestrafung für eine öffentliche Radarwarnung erfolgt mit einem Strafbefehl, der eine Busse sowie die Bezahlung der Verfahrenskosten umfasst. Urteile wegen Übertretungen werden nur bei einer Busse von mehr als 5’000 Franken im Strafregister eingetragen. Bei Ersttäterinnen und Ersttätern beträgt die Busse häufig mehrere hundert Franken, dazu kommen üblicherweise Verfahrenskosten in ähnlicher Höhe.
Je nach Kanton unterscheidet sich die Strafverfolgung erheblich und es besteht Rechtsunsicherheit. Im Kanton Zürich beispielsweise geht man ab 30 Personen, an die sich eine Radarwarnung richtet, von einer «öffentlichen» Warnung aus. Im Kanton Schaffhausen hingegen informiert die Kantonspolizei sogar auf ihrer eigenen Website über Radarkontrollen («Kantone nützen Spielraum bei Fahndung und Ahndung aus», Schaffhauser Nachrichten vom 14. Juli 2016).
Öffentlich zugängliche Gerichtsurteile scheint es – soweit ersichtlich – in diesem Zusammenhang noch nicht zu geben. Allerdings haben erstinstanzlich Verurteilte kaum einen Anreiz, gegen einen Strafbefehl Einsprache zu erheben, denn in den meisten Fällen dürften sie auch vor Gericht für die öffentliche Radarwarnung verurteilt werden – bloss mit höheren Kosten.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, warnt auf Social Media jenseits von direkter Kommunikation mit anderen Personen nicht vor «Radarfallen» und anderen Kontrollen im Strassenverkehr. Wer etwas risikofreudiger ist, kann zumindest aus Sicht der Kantonspolizei Zürich weniger als 30 Personen warnen und darauf hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden an dieser Definition festhalten.
Wer mehr Risiken eingeht, muss damit rechnen, in ein Strafverfahren verwickelt zu werden. In den meisten Fällen beinhaltet ein solches Strafverfahren mindestens eine Einvernahme und endet mit einer Busse sowie der Bezahlung der Verfahrenskosten. Im Zweifelsfall sollte man sich – wie in jedem Strafverfahren – von einer Rechtsanwältin oder von einem Rechtsanwalt verteidigen lassen. Leider gewähren die meisten Rechtsschutzversicherungen für eine solche Angelegenheit keine Deckung.
Der politische Mehrheitswille war klar: Mit Via sicura soll die öffentliche Radarwarnung bestraft werden, auch Lokalradios dürfen seit einiger Zeit nicht mehr über Radarwarnungen informieren. Die Verbotsbefürworter argumentieren mit der Verkehrssicherheit, böse Zungen verweisen auf die mittlerweile vielerorts budgetierten Einnahmen aus Bussen für Geschwindigkeitsübertretungen …
Immerhin ist es als Social Media-Nutzerin oder –Nutzer sehr einfach, nicht selbst für eine öffentliche Radarwarnung auf Social Media gebüsst zu werden: Wer gar nicht warnt, kann auch nicht bestraft werden. Fragen wirft allerdings auf, dass in verschiedenen Kantonen die Polizei selbst vor Radarkontrollen warnt. Ob solche Warnungen straflos öffentlich weiterverbreitet werden dürfen, ist bislang noch nicht geklärt.
Eine öffentliche Radarwarnung auf Facebook und überhaupt mittels Social Media ist strafbar. «Öffentlich» wird je nach Kanton anders definiert, so im Kanton Zürich beispielsweise ab 30 Personen im Zielpublikum. Im Ergebnis besteht Rechtsunsicherheit und wer nicht gebüsst werden möchte, muss vollständig auf eigene Radarwarnungen verzichten. Immerhin sind bei Ersttäterinnen und Ersttätern sind die strafrechtlichen Folgen überschaubar: Es drohen meistens Busse und Verfahrenskosten von einigen hundert Franken, zudem gibt es bei einer solchen Bestrafung keinen Strafregistereintrag.
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