Durchforsten von Jobinseraten

Rolf Reich hat bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Kündigung eingereicht. Er fand seinen Vollzeit-Job einfach nicht mehr interessant. Natürlich muss er sich um eine neue Stelle kümmern, doch bei seinem Arbeitspensum bleibt nicht viel Freizeit. Rolf Reich wundert sich, ob er auch während seiner Arbeitszeit nach einer neuen Stelle suchen und an Vorstellungsgespräche gehen darf – dieser Frage will er nun auf den Grund gehen.

Ab dem Zeitpunkt der Kündigung hat der Arbeitnehmer Recht auf eine gewisse Freizeit zur Stellensuche. Der zeitliche Umfang hängt von den konkreten Umständen ab. Nicht in allen Fällen wird diese Zeit jedoch mit Lohn entschädigt.

Sobald eine Kündigung ausgesprochen ist, stehen dem Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl Stunden zu, um nach einer neuen Stelle zu suchen oder um Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. (Art. 329 Abs. 3 OR)

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. In jedem Fall muss der Arbeitnehmer Rücksicht auf den Arbeitgeber nehmen, wenn er von dieser Freizeit Gebrauch macht.

Stellensuche im Anstellungsverhältnis

Das Gesetz sichert das Recht auf Freistellung zur Stellensuche ausdrücklich erst dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. (Art. 329 Abs. 3 OR)

Stellensuche im gekündigten Verhältnis

Wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist, dann steht dem Arbeitnehmer eine bestimmte Freizeit zu, um nach einer neuen Stelle zu suchen oder um Vorstellungsgespräche zu besuchen. (Art. 329 Abs. 3 OR)

Wenn es sich um eine Stelle im Monatslohn handelt, so wird die Freizeit in der Regel vergütet. Bei Arbeit im Stundenlohn ist zwar Freizeit auch zu gewähren, jedoch erfolgt normalerweise keine Vergütung. Dies gilt sowohl für befristete als auch für unbefristete Arbeitsverhältnisse.

Faktoren

Der Umfang der Freizeit, die zur Stellensuche gewährt werden muss, hängt von der konkreten Situation ab. Also beispielsweise vom Umfang der Kündigungsfrist oder von der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Laut Gericht gilt üblicherweise ein halber Tag pro Woche als angemessen. Dies kann folgendermassen aufgeteilt sein:

  • Ein halber Tag pro Woche,
  • zweimal zwei Stunden aufgeteilt auf zwei Arbeitstage, oder
  • ein ganzer Tag pro zwei Wochen.

Rücksprache mit Arbeitgeber

Wenn der Arbeitnehmer Freizeit für seine Stellensuche einplant, muss er dies mit seinem Arbeitgeber absprechen. Er darf nicht ohne Rücksprache einfach vom Arbeitsplatz fernbleiben. Ausserdem ist auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Es empfiehlt sich daher beispielsweise, die Stellensuche zu Randzeiten durchzuführen.

Fernbleiben trotz Weigerung des Arbeitnehmers

Entscheidet der Arbeitnehmer eigenmächtig oder hält er sich nicht an Weisungen des Arbeitgebers, kann dies zu einer fristlosen Kündigung führen. Letzteres ist auch da möglich, wo bereits eine ordentliche Kündigung besteht.

Arbeit im Stundenlohn

Wer im Stundenlohn angestellt ist, hat grundsätzlich kein Anrecht auf bezahlte Freizeit für die Stellensuche.

Arbeit Monatslohn

Derjenige, der im Monatslohn eingestellt ist, kann in der Regel mit bezahlter Freizeit für die Stellensuche rechnen.

Bei Verschulden

Wenn der Arbeitnehmer seine Kündigung selber zu verschulden hat, weil er zum Beispiel häufig grundlos abwesend war oder einen Diebstahl am Arbeitsplatz begangen hat, so steht ihm kein Recht auf bezahlte Stellensuche zu.

Rolf Reich hat mit seinem Arbeitgeber gesprochen und es wurde ihm zugesichert, dass er einen halben Tag pro Woche mit der Stellensuche und allfälligen Vorstellungsgesprächen zubringen darf. Da er in einem Vollzeitpensum tätig war, wird sein Arbeitgeber ihm die Freizeit vergüten. Sie haben sich jedoch darauf geeinigt, dass Rolf Reich vorwiegend Randstunden für die Stellensuche verwendet.

Wenn ein Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, stehen dem Arbeitnehmer eine gewisse Anzahl Stunden zur Stellensuche oder zur Durchführung von Vorstellungsgesprächen zu. Irrelevant ist, von welcher Seite das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. Der Arbeitnehmer muss jedoch Rücksicht auf den Arbeitgeber nehmen, wenn er von dieser Freizeit zur Stellensuche Gebrauch macht.

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Kommentare

  1. Anna-Lena Schluchter

    Guten Tag,

    Gilt der Anspruch auf Freizeit für Jobinterviews auch in einem befristeten Anstellungsverhältnis? Ich habe das Thema mit der Personalabteilung meines Unternehmens aufgebracht und mir wurde gesagt, dass dieser Anspruch nur dann gelte, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat.

    Ich freue mich auf eine Antwort.

    Freundliche Grüsse
    Anna-Lena

    1. mmlexwiki.ch

      Guten Tag

      Der Anspruch auf Freizeit zur Stellensuche (ca. 1/2 Tag pro Woche) gilt unabhängig davon, welche der beiden Parteien gekündigt hat. Es ist dem Arbeitnehmer jedoch zuzumuten, diese Freizeit in den Randzeiten wahrzunehmen, soweit möglich. Falls Sie jedoch eine Teilzeit-Arbeitskraft sind, so wäre es zumutbar, diese Stellensuche in Ihrer Freizeit wahrzunehmen.

      Da Sie sich jedoch in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden, endigt dieses ohne Kündigung, weshalb ein solcher Anspruch auf Zeit für die Stellensuche meines Erachtens nicht besteht.

      Freundliche Grüsse
      David Schneeberger

  2. Loris

    Guten Tag
    Wie sieht das mit Zeit für vorstellen im Restaurant Betrieb aus bei 1 Monat K-frist?
    Arbeitsbeginn 9h-14h und 18h-22h.
    Randstunden sind da schwierig.
    Gilt da mehr als 1/2 Tag pro Woche?
    besten Dank

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