Der Weg ändert sich

Obwohl ein Anspruch auf Gleichbehandlung in der Rechtsanwendung besteht, sind Praxisänderungen von Behörden und Gerichten bei Vorliegen der Voraussetzungen zulässig.

Praxisänderungen stehen bis zu einem gewissen Grad in einem Konflikt zum Gleichheitsprinzip (Art. 8 Abs. 1 BV) und dem Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 5 Abs. 3 BV). Bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen ist eine Praxisänderung jedoch zulässig, da ansonsten Gerichte und Verwaltung sich nicht weiterentwickeln könnten.

Damit die Zulässigkeit von Praxisänderungen bejaht werden kann, sind folgende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen. Es müssen ernsthafte und sachliche Gründe für die Praxisänderung vorliegen und es sich dabei um eine grundsätzliche und wegleitende Änderung handeln. Eine Abweichung im Einzelfall reicht daher nicht aus. Desweitern muss aufgrund der getätigten Interessenabwägung das Interesse an der als richtig erkannten Rechtsanwendung das Interesse an der Rechtssicherheit überwiegen. Schlussendlich darf es sich bei der Praxisänderung nicht um einen Verstoss gegen Treu und Glauben handeln, was des Öfteren mit einer Übergangszeit gelöst wird.

Im Zusammenhang mit Schleudertrauma-Fällen hatte das Bundesgericht in einem Leitentscheid (9C_492/2014) beschlossen, seine Praxis zur Beurteilung des Anspruches auf eine Invalidenrente anzupassen. Dies gilt für somatoforme Schmerzstörungen und vergleichbarer psychosomatischer Leiden. Bis zur Praxisänderung galt die Überwindbarkeits-Vermutung, welche besagte, dass solche Leiden in der Regel mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar sind. Diese Praxis wurde aufgegeben. Neu gilt, dass es ein strukturiertes Beweisverfahren über das tatsächliche Leistungsvermögen der betroffenen Personen braucht, welches ergebnisoffen und einzelfallgerecht zu bewerten ist.

Praxisänderungen sind zulässig bei ernsthaften und sachlichen Gründen, sofern die Änderung grundsätzlich und wegleitend erfolgt.  Das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung muss zudem überwiegen und es darf kein Verstoss gegen Treu und Glauben vorliegen.

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